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Wer hütet uns?

Eine außergewöhnliche Passions- und Osterzeit erleben wir in diesem Jahr. Ja, sogar in der Zeit nach Ostern noch eine „Passionszeit“, denn viele von uns bangen angesichts der täglichen Meldungen um ihr Wohl und das Wohl ihrer Lieben. Sind von Ansteckung oder der Angst vor Ansteckung betroffen. Eine „Passionszeit“, denn zeitgleich bangen viele Menschen landauf und landab um ihre wirtschaftliche Situation. Sind von finanzieller Not und Existenzängsten betroffen.

Da stellt sich die Frage: Wer (be)hütet uns? Sind wir der Situation schutzlos ausgeliefert? Können wir uns gegenseitig hinreichend schützen?

Der Schutzinstinkt von Eltern gegenüber ihren Kindern ist naturgemäß besonders groß. Denn Kinder brauchen Behüter und Beschützer. Kinder brauchen die Liebe, Fürsorge und Weitsicht ihrer Eltern, um behütet durch diese Zeit zu kommen. Der Reformator Martin Luther bezeichnet Eltern als die „Hand, Röhre und Mittel“, durch die Gott als liebender Vater seinen Kindern Gutes tun will. Leider müssen Kinder in unserem Land und weltweit derzeit angesichts der aktuellen Krise auch schlimme Leiderfahrungen in ihrem familiären Umfeld machen. Halten wir Augen und Herzen dafür offen!

„Pass gut auf dich auf!“, so wurden wir als Erwachsene von unseren Eltern vielleicht zuweilen an der Haustür verabschiedet. „Pass gut auf dich auf, denn ich kann es leider nicht mehr tun“, höre ich da zwischen den Zeilen die Eltern sagen. Aber können wir das genau genommen – auf uns selbst aufpassen? Wirklich aufpassen kann nur ein anderer auf mich. Soll er das auch?

„Soll ich meines Bruders Hüter sein?“ (1 Mose 4,9), diese Frage ist eine besonders alte Frage. Sie steht schon in den ersten Kapiteln der Bibel. Soll ich Verantwortung übernehmen für meinen Bruder, meine Schwester? Die Antwort darauf im biblischen Sinne lautet: JA!

JA, wir alle brauchen hin und wieder Hüterinnen und Hüter. Wir sollen es füreinander sein. Und das bedeutet zugleich: Wir können es füreinander sein. Unser Leben besteht immer wieder aus asymmetrischen Situationen. Wir geben und wir nehmen. Wir werden zu Hüterinnen und Hütern und dann auch wieder zu Schafen. Und beides ist gut so.

In diesen Tagen wird viel von Hüterinnen und Hütern berichtet. Von der Krankenschwester, die mit einem mutmachenden Lächeln ins Zimmer der sterbenden Frau kommt. Von dem ehrlichen Finder, der die Brieftasche voller Kreditkarten bei der Polizei abgibt. Von den politischen Verantwortungsträgern, die in „good governance“ ihre Fürsorge- und Schutzpflichten erfüllen.

Und wer hütet die Hüterinnen und Hüter?

Wer übernimmt für die Hüterinnen und Hüter Verantwortung, wenn sie an ihre Grenzen stoßen? Wenn ihre Kraft einfach nicht ausreicht? Ihre Entscheidungen im Nachhinein als Fehlentscheidungen eingestuft werden?

In solchen Situationen ist es gut, wieder einmal die alt vertrauten Worte zu hören:

„Der HERR ist mein Hirte“.

Und Jesus sagt: „ICH bin der gute Hirte.“ Hinter den vielen menschlichen Hüterinnen und Hirten – hinter ihnen, neben ihnen und manchmal auch gegen sie – steht der eine gute Hirte. IHM vertrauen wir unser Leben an. Dieses letzte Vertrauen verdient kein Mensch, kein Staat, kein Programm. Dieses letzte Vertrauen verdient der, der von sich sagt: „Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe“  (Johannes 10,11) und „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen“ (10,27+28).

Versprochen ist uns nicht, dass wir auf unserem Weg durch das Leben vor allem Schaden, allem Leid, aller Krankheit verschont bleiben werden. Aber versprochen ist uns, dass Jesus als unser Hirte in allem Schaden, in allem Leid und in aller Krankheit – auch noch im finsteren Todestal – bei uns sein wird. Er trägt uns nach Hause. Nichts und niemand kann uns aus seinem Arm reißen. Weder Tod noch Leben, weder Mächte noch Gewalten, weder Krisen noch Katastrophen, weder Hohes noch Tiefes, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges. Am Ende sind wir noch immer bei IHM.

Bleiben Sie behütet, Gott befohlen und getrost!
Ihre Pfarrerin Katharina Bärenfänger

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