Wasser zu Wein
Eltern können voll peinlich sein. Besonders wenn sie cool sein wollen. Oder mit ihren Kindern angeben. Da waren Jesus und seine Freunde auf eine Hochzeit eingeladen. Seine Mutter auch. Dem Hochzeitspaar geht der Wein aus. Die Gäste sitzen auf dem Trockenen. Wirklich blöd. Aber eigentlich nicht Jesus Problem. Doch seine Mutter stupst ihn an: „Sie haben keinen Wein mehr!“ – sprich: Mach was dagegen! Nur gut, dass Jesus da keine 14 mehr ist. Aber gefallen hat es ihm nicht, dass seine Mutter so mit ihm angibt. „Was willst du von mir, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Auf gut Deutsch: Lass mich in Ruhe, Mutter! Aber wie brave Söhne so sind. Er tut ihr den Gefallen. Und außerdem wär’s ja wirklich schade um die Stimmung, wenn es nichts mehr zu trinken gäbe.
Ein kleiner Familienkonflikt auf einer Party. Der Sohn gibt nach und zeigt widerwillig, was in ihm steckt. Eine Alltagsgeschichte, doch mit einem starken Ende: Wasser wird zu Wein. Ja, die Geschichte beeindruckt. Wenn Sie irgendwelche Leute auf der Straße nach den Wundern Jesu fragen, dann kann ich Ihnen fast garantieren, dass dieses Wunder auf der Hochzeit zu Kana zuerst genannt wird. Jesus hat Wasser in Wein verwandelt. Und er ist über’s Wasser gelaufen. Das sind die Wunder, die sich tief ins kollektive Gedächtnis eingeprägt haben, wenn es um Jesus geht.
Ich weiß nicht, warum gerade diese Wunder so bekannt sind – vielleicht, weil man sie vom Gottessohn am Wenigsten erwarten würde. Nicht mit der Heilung von Kranken oder der Auferweckung von Toten beginnt im 2. Kapitel des Johannesevangeliums das öffentliche Wirken Jesu, sondern mit diesem Wein-Wunder. Vielleicht steckt hinter der Geschichte doch mehr als ein kleiner Familienkonflikt mit feucht-fröhlichem Ausgang.
Wein ist etwas für Friedens- und Freudenzeiten. Weinstöcke brauchen intensive Pflege. In Kriegs- und Notzeiten ist Weinbau schwer möglich. Brot ist das Grundnahrungsmittel und Wein das Festgetränk. Bei Wasser und Brot sitzt man sprichwörtlich im Gefängnis ein. Um fröhlich zu feiern, braucht es den Wein. Ein starker Auftakt: Mit Jesus wird das Leben zum Fest.
Und noch etwas: Für sein Wein-Wunder lässt Jesus die Reinigungskrüge mit Wasser füllen – sicher nicht nur, weil sie als große Gefäße so praktisch waren. Das Wasser in diesen Tonkrügen wurde nicht einfach zur Körperpflege verwendet, sondern zur rituellen Reinigung, zur Abwaschung von Sünden. Jesus befreit. Von Krankheit, von Sünde und Tod. Das ist von Anfang an die Botschaft des Evangeliums.
Jesus kommt genau zu denen, die nichts zu lachen haben. Aber das ist kein Argument gegen das Lachen. Und dass er den Armen hilft, ist kein Plädoyer für die Armut. Mit Jesus feiern wir das Fest des Lebens. Gerade weil wir um die Grenze dieses Lebens wissen. Um Leid und Tod. Um Ungerechtigkeit und Gewalt. Um Krieg und Terror. Mit Jesus bricht sich eine neue Qualität des Lebens Bahn. Das gilt es zu feiern.
Wenn wir jetzt in unseren Corona-Einschränkungen zuhause sitzen und uns so gar nicht zum Feiern zumute ist, macht mir diese Geschichte Mut. Es gibt auch in der Krise überraschende Wendungen zum Leben und zur Zuversicht. Klar, wir sind nicht Jesus. Wir vollbringen keine großen Wunder. Aber mit etwas Fantasie und Kreativität schaffen wir auch im Lockdown kleine Wunder der Lebensfreude und lassen die nicht allein, die besonders von dieser Krise getroffen sind. Manchmal brauchen wir nur jemand, der uns anstupst – es muss auch gar nicht die Mutter sein!
Bleiben Sie behütet und zuversichtlich!
Ihr Pfarrer Heinrich Schwarz
Diese Andacht können Sie auch hier anhören.
Mittagsgebet
Unser Leben sei ein Fest, / Jesu Geist in unserer Mitte, / Jesu Werk in unseren Händen. / Jesu Geist in unseren Werken. / Unser Leben sei ein Fest / an diesem Morgen (Abend) und jeden Tag.
Unser Leben sei ein Fest, / Brot und Wein für unsere Freiheit. / Jesu Wort für unsere Wege, / Jesu Weg für unser Leben. / Unser Leben sei ein Fest / an diesem Morgen (Abend) und jeden Tag.
(Evangelisches Gesangbuch Nr. 555)