Rühr mich nicht an!
Eine eher unbekannte Ostergeschichte, die uns im zweiten Bild des Osterzyklus begegnet, den Hilde Ferber als Glasfenster für unsere Evangelische Kirche gestaltet hat. Maria von Magdala begegnete dem Auferstandenen.
Eine Ostergeschichte, erzählt aus der Perspektive des Johannes-Evangeliums- Johannes 20,11-18: Das Grab ist aus dem Blick geraten. Nur ein Baum deutet an, dass diese Szene im Garten spielt.
„Maria hält ihn zunächst für den Gärtner. Als er sie beim Namen nennt, erkennt sie ihn und will ihn voller Erleichterung in die Arme schließen. Fass mich nicht an! Ihre Bewegung erstarrt. Der Auferstandene ist nicht der, den sie geliebt, verloren und gesucht hat.“ (C.C. Noack)
Der Jesus, der sich von der Sünderin die Füße hat waschen und salben lassen, der keine Scheu hatte, selbst kranke Menschen durch seine Berührung zu heilen – er verweigert sich dem körperlichen Kontakt.
Dieses Distanzhalten dient nicht – wie heute – dem Schutz von Leben und Gesundheit. Es ist Zeichen dafür, dass mit dem Auferstandenen Neues beginnt, das nicht mit Händen zu greifen ist, nicht fassbar in den Kategorien dieser Welt.
Etwas Neues beginnt – und Maria muss lernen mit diesem Neuen zu leben. Der Jesus, den sie gekannt hat, ist tot. Sie war ans Grab gekommen, um zu trauern und zu weinen, dem Toten einen letzten Liebesdienst zu erweisen. Nun aber steht sie vor einer ganz anderen Herausforderung. Nicht allein die Trauer um den Menschen, der ihr so viel bedeutet hat, muss bewältigt werden. Zugleich muss sie verstehen lernen, dass dieses Neue, vom dem Jesus gepredigt hatte, ganz anders geschieht als erwartet und erhofft.
Auferstehung ist nicht die Fortsetzung des irdischen Lebens über das Grab hinaus. Es ist ein neues Sein, das irdisch nicht wirklich zu begreifen ist, ein schöpferischer Sprung, der alle Qual und Krankheit und den endgültigen Abbruch des Lebens hinter sich lässt.
So ist es wohl nicht von ungefähr, dass Maria ihn erst für den Gärtner hält. Gott, der große Gärtner, haucht nicht nur dem Diesseits Leben ein. Über das Ende irdischer Existenz hinaus lässt er Leben auf unfassbare Weise aufblühen. Das macht es nicht weniger schwer, die Grenzen der Endlichkeit, auch des eigenen Lebens, zu akzeptieren. Aber es setzt dem Tod eine Hoffnung entgegen.
Und mit dieser neuen Erfahrung erhält Maria von Magdala einen Auftrag von Jesus. Erzähle den anderen von dieser neuen Erfahrung. Behalte es nicht für dich. Lass die anderen daran teilhaben. So wird Maria im Johannes-Evangelium die erste Auferstehungszeugin, weit vor Petrus und den anderen Jüngern. Der Apostel begreift den Wandel erst später, am See Genezareth.
Durch die Begegnung mit dem Auferstandenen bekommt Maria ihren aufrechten Gang zurück. Sie kann den Tod Jesu in ihr Leben hineinnehmen, weil sie gewiss ist, dass es für sie eine Zukunft gibt. Sie ist die erste, die das Abenteuer der Nachfolge wagt. Handfeste, begreifbare Beweise braucht sie nicht mehr. Sie traut sich mit dem Tod zu leben und auf Verwandlung zu hoffen. Jesus lebt und er braucht sie.
Bleiben Sie behütet!
Ihr Heinrich Schwarz
Rodenbach, in der Woche nach Ostern 2020