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Gedanken zum Reformationstag

Liebe Leserin, lieber Leser,

zur Zeit der Reformation war eine Erweckung durch Deutschland gegangen. Man hatte in dem von Luther und anderen besonderen Gestalten neu gefundenen Evangelium Gottes Gnade begeistert wiederentdeckt. Man hatte mit freudiger Überraschung neu herausgefunden, dass Gott uns liebt – unabhängig davon, wie viel ein Mensch religiös geleistet hat. Man hatte erleichtert wahrgenommen, dass nicht die vielen Bußübungen, Wallfahrten und guten Werke uns vor Gott genehm machen. Und nun konnte man als ein so innerlich befreiter, evangelischer Christ dazu beitragen, dass auch andere Christen in ihrem Inneren befreit würden. So konnten ganze evangelische Gemeinden andere verängstigte Christen heilen, die unter der Knute einer Gesetzesfrömmigkeit verkrampft waren.

Aber aus diesen von Gott selbst berührten Christen wurde im Laufe der Zeit eine Schar, in der man kaum noch Feuer mehr lodern sah und sieht. Von Ausnahmen abgesehen war und ist da an vielen Orten bestenfalls noch etwas Glut, bedeckt von viel Asche. Für die Mehrheit unserer evangelischen Christen spielt das in der Reformation neu entdeckte Wort keine nennenswerte Rolle mehr. Sicher, man lässt in der Regel bei uns die eigenen Kinder taufen und konfirmieren. Eine kirchliche Beerdigung wird auch noch gewünscht. Anlässlich einer Eheschließung den Segen für den gemeinsamen Weg zu erbitten, wird jedoch immer seltener. Dass bei der Mehrheit der evangelischen Christen in einem Sonntagsgottesdienst eine freudige und neugierige Erregung entstünde mit dem Ziel herauszufinden, was Gott uns für die neue Woche an Ideen und Weisungen mit auf den Weg geben könnte: Fehlanzeige!

Ist die Mehrheit der evangelischen Christen so bewandert in eigener Lektüre der Heiligen Schrift, dass sie ihren christlichen Geschwistern und sonstigen Mitmenschen in Stunden der Not und Unsicherheit Trost und Wegweisung geben könnte? Fehlanzeige!

Zum evangelischen Missverständnis des Evangeliums gehört aber inzwischen leider, dass Gott immerfort zum Gnädigen verpflichtet ist, völlig unabhängig davon, wie wir leben.

Auch globale Erinnerungen an die dramatischen Entwicklungen in der Reformationszeit und Jubelfeiern beleben unsere Kirchenkonfession nicht von selbst.

Wer von der evangelischen Mehrheit, deren Namen in der Kirchenkartei vorhanden sind, fragt bei wichtigen Entscheidungen Tag für Tag: Wie kann ich dies oder das heute im Geist, im Sinn Jesu, tun und lassen?

Für wen von uns steht Gottes Wort höher als das Wort des eigenen Chefs? Für wen unter uns sind die unmissverständlichen Gebote Gottes, seine Wegweisungen für ein glückliches, freies, erfülltes Leben wichtiger als der Ratschlag eines guten Freundes?

Wer aber weiß, dass alles Gute in ihm an Gedanken, Worten und Taten seinen Ursprung bei Gott hat, und nur durch ihn aufrechtzuhalten und zum Ziel geführt werden kann, der kann nicht mehr arrogant, mitleidig oder richtend auf andere Christen herabblicken. Er wird auch nicht in den Fehler verfallen, in seinen Gedanken ein heimliches Punktekonto zu führen, um am Tage der endgültigen Rechenschaft Gott all seine religiösen Leistungen vorzuhalten.

Ein solcher Christ wird auch nicht in konfessionellem Hochmut auf die Christen anderer Konfessionen oder auf andere Kirchen herabblicken und sich dabei über deren Fehler, Schwächen oder Irrtümer freuen.

Bleiben Sie behütet!
Ihr Bernd Schminke
Prädikant und Vorsitzender des Kirchenvorstandes

Mittagsgebet

Jesus Christus, am Reformationstag denken wir an deine Kirche, die krank darniederliegt, vielfach gespalten und innerlich weithin schwerhörig und gelähmt. So bitten wir dich: Erneuere deine Kirche durch dein Wort und deinen Geist, damit Christen dich neu hören, im Glauben wieder leuchten, in der Liebe brennen und sich in lebendiger Hoffnung auf dein Kommen verzehren.
So heile und belebe deine Kirche in all ihren Gliedern und Konfessionen, und fang damit bei jedem einzelnen von uns gleich heute an.
Durch dich ehren wir unseren himmlischen Vater in der Kraft des Geistes, denn seine Güte ist der Ursprung, die Inspiration und das Ziel unseres Glaubensweges.

Amen.

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