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Der Lobgesang des Zacharias

Zacharias, der Vater von Johannes, dem Täufer, singt ein Lied, einen Hymnus. Wir kennen die Melodie nicht und können weder Rhythmus noch Tempo erahnen, aber wir können versuchen, ein klein wenig nachzuspüren, was Zacharias bewegte.

Ein Wunder war geschehen. Er, der alte Tempelpriester, und seine Frau Elisabeth, kaum weniger Jahre alt, hatten ein Kind bekommen, den ersehnten Sohn. Keiner hatte mehr damit gerechnet, am allerwenigsten Zacharias selbst. Er hatte die Hoffnung aufgegeben gehabt und war dementsprechend ungläubig und skeptisch gewesen, als ein Engel Gottes ihm weissagte, dass seine Frau doch noch einen Sohn bekommen würde. Deshalb war er stumm geblieben von dem Moment dieser Weissagung an und konnte neun lange Monate lang nicht mehr sprechen – bis das Kind geboren war. Erst dann löste sich der Fluch, und Zacharias fand wieder Worte. Und was für welche! Es ist geradezu ein Jubelruf.

Welchen Grund haben wir zu jubeln? Uns ist so ein Wunder nicht geschehen – mir nicht, und Ihnen wahrscheinlich auch nicht. Wir haben kein Kind bekommen im hohen Alter und gegen alle medizinische Erfahrung. Und doch spielt auch für uns in dieser Zeit ein Kind eine Rolle. „Uns ist ein Kindlein geboren“ lautet die Botschaft, die wir an Weihnachten hören werden. Wir feiern in der Adventszeit die Erwartung des Kindes, das nicht nur das Leben von Zacharias und Elisabeth radikal verändern wird. Ihr Kind, Johannes, soll „ein Prophet des Höchsten heißen“ und „dem Herrn vorangehen“. Er soll den Weg bereiten für den, der nach ihm kommt und den er taufen wird: Jesus.

Wir denken in der Adventszeit an das Wunder, das noch viel größer ist als das, das Zacharias und Elisabeth geschehen ist. Wir denken an das Wunder, dass Jesus auf die Welt gekommen ist – und in ihm Gott selbst Mensch wurde. Wie viel mehr Grund hätten wir da zu jubeln als Zacharias!

Aber dieses weihnachtliche Wunder liegt für uns meistens im Verborgenen. Es ist verborgen hinter den langen Jahren, die seit Jesu Geburt vergangen sind. Es ist verborgen in unserem rationalen Denken, das uns fragen lässt, wie das denn geschehen konnte, dass Gott Mensch geworden ist. Es ist verborgen in unserem Unglauben, der aus Überlegungen kommt, die wir „vernünftig“ nennen – wir glauben eben nur, was wir sehen. Es ist verborgen auch in der Angst vor dem Virus, das derzeit unser ganzes Leben bestimmt.

Und doch klammern wir uns an dieses Wunder und sagen eher unbewusst „Ja“ zu ihm, wenn wir jeden Sonntag ein Licht mehr anzünden, bis an Weihnachten der ganze Weihnachtsbaum im hellen Licht erstrahlt – auch in diesem Jahr. Irgendwie passiert in der Adventszeit ja doch etwas mit uns, trotz aller Ängste und Klagen über die Pandemie und die Einschränkungen unseres gewohnten Lebens.

Offenbar öffnet das Licht, das jetzt von Sonntag zu Sonntag zunimmt und heller wird, nicht nur eine Schneise in die Dunkelheit der langen Abende, sondern auch in die Dunkelheit unseres Lebens und in die Tiefen unseres Herzens. Die Geburt Jesu hat die Welt und die Menschen verändert. Wenn wir genau hinsehen, stellen wir das jedes Jahr auch bei uns fest. Wir können dankbar sein für diese Möglichkeit, die uns die Adventszeit mit ihrer Vorfreude immer wieder bietet.

Wir haben Grund einzustimmen in den Jubel des Zacharias über seinen Sohn Johannes – und viel mehr noch in den Jubel über den, dem Johannes den Weg bereitete: Jesus Christus, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern.

Bild: commons.wikipedia.org (St Botolph’s Church, Boston)

Mit adventlichen Wünschen,
und bleiben Sie behütet!
Ihr Pfarrer Michael Ebersohn

Mittagsgebet (Der Lobgesang des Zacharias, Lukas 1, 68-79)

Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! 
Denn er hat besucht und erlöst sein Volk
und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils 
im Hause seines Dieners David
– wie er vorzeiten geredet hat 
durch den Mund seiner heiligen Propheten –,
dass er uns errettete von unsern Feinden 
und aus der Hand aller, die uns hassen,
und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern 
und gedächte an seinen heiligen Bund
und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, 
uns zu geben,
dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde,
ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang 
in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen.
Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. 
Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest,
und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk 
in der Vergebung ihrer Sünden,
durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, 
durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe,
damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, 
und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens.

Amen.

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