AktuellesGlaube & LebenGottesdienstUncategorized

Das letze Abendmahl

Das letzte Abendmahl – Die Kreuzigung – Die Emmaus-Jünger – diese drei Bilder aus der Passions- und Ostergeschichte werden uns die kommenden Tage begleiten. In unserer Kirche finden wir sie als Glasfenster von Hilde Ferber interpretiert.

Hildegard Marianne Ferber wurde am 13. Oktober 1901 in Wetzlar geboren. Seit 1925 arbeitete sie in Bielefeld und später in Treysa. Am 21. Juli 1967 starb sie in Rotenburg bei Fulda. Religiös war Hilde Ferber durch die „Berneuchener Bewegung“ geprägt, einer aus der Jugendbewegung entstandenen Gruppe, die sehr stark an der liturgischen Erneuerung der Kirche interessiert war. Später wurde die Kommunität Imshausen bei Bebra ihre religiöse Heimat.

Seit 1928 trat Hilde Ferber durch verschiedene Ausstellungen als Künstlerin in die Öffentlichkeit. Ihre ersten Glasfenster gestaltete sie 1935 für die Bielefelder Nikolai-Kirche. Über 70 Kirchen folgten.

Ihre Glasfenster sind geprägt von abgestuften Grautönen – der Girsaille-Malerei – die Hilde Ferber auf dem Malgrund Glas wundervoll zur Geltung bringt. Dadurch wirken die Farben zurückhaltend aber zugleich hell und durchsichtig.

Unsere Bilder hier entstehen 1958. Ich empfinde es schon als eine Besonderheit, dass der Kirchenvorstand damals mit Pfarrer Schlott, sich für die Bilder von Hilde Ferber entschieden hat.

Es sind sehr ernste Bilder. Auch wenn sie die Ton-in-Ton-Malerei unserer Kirche aufnehmen, so stellen sie den geschwungenen Linien der Barockzeit eine klare, gerade Komposition gegenüber. Hier finden wir kein Lächeln auf den Gesichtern der Figuren, die Mundwinkeln gehen nach unten.

Aber es mag wohl sein, dass sich hier der protestantische Zeitgeschmack gefunden hat. Für mich sind die Bilder von Hilde Färber von jenem evangelischen Ernst geprägt, den ich auch in der Auswahl des Kanzelspruchs jener Zeit wiederfinde. Wo heute ein Wort aus der Offenbarung (Offb 1, 17b.18a) uns Mut macht für die Zukunft macht –

Jesus Christus spricht: Fürchte dich nicht!
Ich bin der Erste und der Letzte
und der Lebendige.

– war ein Vers aus dem Hebräer-Brief und einer aus dem Buch des Propheten Jeremia zu lesen (Hebräer 4, 12 / Jer 23, 29):

Das Wort Gottes ist wie ein Feuer und
wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt …,
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und
schärfer als ein zwei-schneidiges Schwert …
es ist ein Richter über Gedanken und Sinne des Herzens.

Hilde Ferber erzählt Beziehungsgeschichten. Geschichten zwischen Verrat und Furcht – kalter Gleichgültigkeit und Hoffnung noch im Tod – Zweifel und neuer Zuversicht.

Betrachten wir für den Gründonnerstag ihr Abendmahlsbild, in der sich gleich zwei biblische Szenen spiegeln.

Matthäus 26,14-16: Der Verrat des Judas

Da ging einer von den Zwölfen, mit Namen Judas Iskariot, hin zu den Hohenpriestern und sprach: Was wollt ihr mir geben? Ich will ihn euch verraten. Und sie boten ihm dreißig Silberlinge. Und von da an suchte er eine Gelegenheit, dass er ihn verriete.

Lukas 22,14-23: Das Abendmahl

Und als die Stunde kam, setzte er sich nieder und die Apostel mit ihm.

Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dies Passalamm mit euch zu essen, ehe ich leide. Denn ich sage euch, dass ich es nicht mehr essen werde, bis es erfüllt wird im Reich Gottes. Und er nahm den Kelch, dankte und sprach: Nehmt ihn und teilt ihn unter euch; denn ich sage euch: Ich werde von nun an nicht trinken von dem Gewächs des Weinstocks, bis das Reich Gottes kommt.

Und er nahm das Brot, dankte und brach’s und gab’s ihnen und sprach: Das ist mein Leib, der für euch gegeben wird; das tut zu meinem Gedächtnis. Desgleichen auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird!

Doch siehe, die Hand meines Verräters ist mit mir am Tisch. Denn der Menschensohn geht zwar dahin, wie es beschlossen ist; doch weh dem Menschen, durch den er verraten wird! Und sie fingen an, untereinander zu fragen, wer es wohl wäre unter ihnen, der das tun würde.

In Hilde Färbers Komposition springen aus dem grau-blau des Bildes Farben hervor: Da ist das Gelb des Kelches, und auf einer Höhe, das Giftgrün des Beutels, in dem die 30 Silberlinge des Verräters klimpern. Judas ist schon am Weggehen. Das Abendmahl ist vorüber.

Doch noch eine weitere Farbe springt hervor: Das rot von Jesu Umhang. Rot. Die Farbe der Märtyrer. Die, die um des Glaubens willen Verfolgung, Leid und Tod auf sich nehmen. Die Farbe wird uns wieder begegnen auf den Bildern.

Während der Beziehungsabbruch bei Judas schon vollzogen ist, herrscht bei den Jüngern aufgeregte Unsicherheit. Sie sehen zum Teil
Jesus an, zum Teil diskutieren sie untereinander: Wer es wohl ist … der Verräter.

Das letzte Abendmahl ist kein Festmahl und nicht alleine das Essen, mit dem sich Jesus von seinen Freunden verabschiedet. Es trägt vielmehr die Brüche und Konflikte des Lebens in sich: Der eine verkauft die Idee des Himmelreichs. Nur Bares ist Wahres. Der andere wird es verleugnen, eher der Hahn dreimal kräht. Eigensicherung geht vor. Die Frauen, die Jesus die Treue halten, waren nicht eingeladen. Die Hälfte des Himmels scheint ausgesperrt.

Bei Hilde Ferber ziehen sich diese Widersprüche mit den Farben der Kleider durch die Bilder. Neben den Umhängen, die sich Ton in Ton dem Hintergrund anpassen, fällt immer wieder ein Jünger in einem braunen und einer in einem blauen Umhang auf.

Sie sind nicht zuzuordnen als Personen. Nicht Petrus, nicht der Lieblingsjünger Johannes. Für mich sind diese beiden Farben Pole menschlicher Existenz: erd-verhaftetes Braun, für die Diesseitigkeit unserer Existenz, aber auch himmelsdurchflutetes Blau für die Bereitschaft uns zu lösen – das neue Leben zu ergreifen, das Gott mit Jesus verheißen hat. Hilde Ferbers Bilder laden mich dazu ein, meine eigene Existenz anzuschauen. Wo entdecke ich in mir, Farbtupfer des Himmelreichs? Wo bleibe ich dem Urgrund verbunden, der mich trägt? Wo brennt das Feuer der Liebe in mir? Ich mag es gar nicht gegeneinander ausspielen. Ich will es als Teil meines Lebens würdigen – und immer neu schauen, wie es sich verändert.

Deshalb möchte ich Ihnen eine letzte Anregung mit auf den Weg geben. Wenn wir nach überstandener Krise wieder miteinander in unserer Kirche Gottesdienst feiern können, suchen Sie sich doch einmal ganz bewusst einen Platz mit Blick auf unsere Glasfenster, den Sie sonst vielleicht nicht gewählt hätten.

So wie uns diese Zeit mit ihren sozialen und räumlichen Beschränkungen zu einem Perspektivenwechsel zwingt, so kann es beim nächsten Gottesdienstbesuch auch sein. Wechseln Sie einmal die Perspektive.

Wer mehr als nur zu Weihnachten in die Kirche geht, der hat sehr schnell seinen Lieblingsplatz gefunden. Bei dem so alles stimmt. Der richtige Abstand zur Kanzel, die Leute drumrum, die mir sympathisch sind, dicht dabei oder eher etwas auf Distanz, je nachdem, wie man es so mag. … Das ist normal und auch durchaus gut. Wir sollen uns wohl fühlen, bereit sein auch für das Zuhören.

Doch manchmal ist es gut einen Perspektivenwechsel zu haben. Wenn sie immer nur die Passionsgeschichte im Blick haben, wechseln sie einmal die Seite. Und entdecken sie die Ostergeschichte neu. Und umgekehrt.

Bleiben Sie behütet!

Ihr
Heinrich Schwarz
Rodenbach, Gründonnerstag 2020

Schreibe einen Kommentar