AktuellesGlaube & LebenGottesdienste

30 Jahre deutsche Wiedervereinigung

Liebe Leserinnen und Leser,

zum 30. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung erinnern wir uns an die mutigen Schritte der Menschen in der ehemaligen DDR. Sie sind für ihre Freiheit und für eine demokratische Gesellschaftsordnung friedlich und mit Erfolg auf die Straße gegangen und haben in den Kirchen gebetet. Ich bin dankbar für diese friedliche Revolution.

Auch heute gehen wieder Menschen zu tausenden friedlich für Demokratie und gegen ein diktatorisches Regime auf die Straße, wie gegenwärtig in Belarus oder in Hongkong. Die Sorge um die Menschen in beiden Ländern beschäftigt mich und viele andere seit Tagen und Wochen. Die Zeiten haben sich gewandelt. Dem Protest stehen Staaten entgegen, die bereit scheinen, ihre Macht und ihre Interessen bis aufs Letzte zu verteidigen. Und wir schauen hilflos zu.

Ja, die Zeiten haben sich gewandelt. Ich muss hier nicht über Trump und Putin, die chinesische Führung und ein zerstrittenes Europa schreiben. Wer die Nachrichten verfolgt, weiß um den Zustand der Welt. Es ist so gar nichts mehr von Aufbruch zu spüren, ganz im Gegenteil. Der Tag der Deutschen Einheit macht mir aber Mut, trotzdem an meinem Platz zu schauen, wo kann ich mehr Demokratie leben. Doch mir scheint nicht nur in der Weltpolitik, sondern auch in unserem Alltag kommt dies zu kurz. Dabei gibt es in unserer Gemeinde und meiner Kirche genug zu tun. Aber wie schnell werden Meinungen einfach rausgehauen, Argumente als „Fake News“ und Widerspruch als „Unterdrückung der Meinungsfreiheit“ verleugnet. Dabei lebt Demokratie vom Widerspruch. Nur müssen auch alle den Widerspruch aushalten – auch die, die gerne laut „dagegen“ sind.

All die Schwierigkeiten und Herausforderungen, vor denen wir stehen, lösen wir nur im Miteinander. Dazu gehört der Streit der Argumente, die Bereitschaft Verantwortung zu übernehmen und am Ende einen guten Ausgleich der Interessen zu finden. Nur so kommen wir voran. Ich will deshalb diesen 30. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung als Motivation dafür nehmen, mehr Demokratie zu wagen.
(Foto: Gert Altmann, Pixabay).

Bleiben Sie behütet!
Pfarrer Heinrich Schwarz

Mittagsgebet

Gott, wir danken dir für die Einheit, die in unserem Land gewachsen ist in den letzten 30 Jahren. Was war das für ein Aufbruch damals: Menschen gingen auf die Straße, sie traten ein für Freiheit und Recht, mit Gebeten und Liedern gegen Panzer und Gewehre – und die Mauern fielen.

Jetzt sehen wir solche Bilder aus Belarus. Woche für Woche stehen Tausende auf für ein anderes Leben. Wir bitten dich um ein Ende der Gewalt, um Freiheit für die politischen Gefangenen. Lass die friedliche Veränderung der Gesellschaft gelingen. Erhalte den Mut der Frauen, die das Ende von Unrecht und Diktatur fordern. Stärke die vielen, die für ein freies, gemeinsam und selbst bestimmtes Leben eintreten – in diesem europäischen Land zwischen den Blöcken.

Propst Helmut Wöllenstein

Schreibe einen Kommentar