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Sankt Martin und das letzte Gericht

In unseren Straßen und auf unseren Plätzen, beim Laternenumzug, ertönt das Lied dieses Jahr zwar nicht. Aber in unseren Häusern und Familien werden es die Kleinsten unter uns wohl trotzdem mit ihren Eltern und Geschwistern fröhlich trällern:

Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin ritt durch Schnee und Wind.
Sein Ross, das trug ihn fort geschwind.
St. Martin ritt mit leichtem Mut.
Sein Mantel deckt ihn warm und gut.

Im Schnee saß, im Schnee saß,
im Schnee, da saß ein armer Mann.
Hat Kleider nicht, hat Lumpen an.
„O, helft mir doch in meiner Not,
sonst ist der bittere Frost mein Tod.“

Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin zog die Zügel an.
Sein Ross stand still beim armen Mann.
Sankt Martin mit dem Schwerte
teilt den warmen Mantel unverweilt.

Sankt Martin, Sankt Martin,
Sankt Martin gab den halben still.
Der Bettler rasch ihm danken will.
Sankt Martin aber ritt in Eil‘
hinweg mit seinem Mantelteil.

Es sind solch einprägsame Legenden wie die rund um den späteren Bischof Martin von Tours im 4. Jahrhundert, die uns schon in sehr jungen Jahren ein Verständnis von so großen theologischen Begriffen wie Barmherzigkeit, Solidarität und Gnade vermitteln, ja sie uns in Bildern, Basteleien und Liedern förmlich ins Herz malen.

Im Erwachsenenalter begegnen uns dann hier und dort die Deutungen dieser Geschichte: Der hilfsbedürftige Mann, mit dem Sankt Martin seinen Mantel teilt, das ist Jesus selbst, der uns in jedem Mitmenschen begegnet, der unsere Hilfe, unsere Barmherzigkeit und Solidarität braucht.

Als ich zum Sankt-Martinstag mit meiner damaligen Klasse 2b den Umhang des Heiligen Martin aus Tonkarton ausgeschnitten habe, meinte ein kleiner Junge: „Sankt Martins Umhang sieht aus wie das Blut von Jesus.“ Ich war baff – und redigierte schnell noch einmal meine Deutung der Sankt Martinsgeschichte. Mein Schüler hatte recht. Auch in der Figur des Heiligen Sankt Martin begegnet uns Jesus, der das Kostbarste, was er hat, mit uns teilt: Sein Leben. Seine Gerechtigkeit. Seine ungebrochene Beziehung zu Gott, seinem Vater. Im Philipperbrief wird Jesus deswegen als der gepriesen, der alle seine Privilegien aufgibt, Mensch wird und uns nichts vorenthält, sondern mit uns teilt, was doch eigentlich allein Seines ist. Was für eine wunderbare Tat der Barmherzigkeit: die Tat von Jesus und – Jesus nacheifernd – dann auch die Taten des Heiligen Martin.

Wie aber passt zu diesem Jesus voll Gnade und Barmherzigkeit nun der Spruch dieses Sonntags: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi.“ Jesus, der Retter – und zugleich unser Richter?

Die Geschichte von Sankt Martin und der Vers dieses Sonntags passen sogar außerordentlich gut zueinander, anders, als wir auf den ersten Blick vielleicht meinen. Denn sie werden verbunden durch das, was Jesus seinen Jüngern von diesem letzten Gericht erklärt: Es ist kein unvorhersehbarer Gerichtsprozess. Kein überraschender Ausgang. Es gibt keine geheimen Paragrafen oder unbekannte Zeugen, die herangezogen werden. Der Maßstab ist öffentlich und bekannt: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan“, sagt Jesus.Und: „Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen.“

Unser Glaube an Jesus Christus, unseren Retter, kann schon heute im Jahr 2020 Spuren hinterlassen und einen entscheidenden Unterschied machen, wenn wir einander in Liebe begegnen, einander unterstützten, schützen und immer wieder neu zu versuchen, einander zu verstehen und anzunehmen.

Bleiben Sie behütet!
Ihre Pfarrerin Katharina Bärenfänger

Mittagsgebet

Herr, mach uns stark im Mut, der dich bekennt,
dass unser Licht vor allen Menschen brennt!
Lass uns dich schaun im ewigen Advent!
Halleluja, Halleluja!

Tief liegt des Todes Schatten auf der Welt.
Aber dein Glanz die Finsternis erhellt.
Dein Lebenshauch bewegt das Totenfeld.
Halleluja, Halleluja!

Welch ein Geheimnis wird an uns geschehn!
Leid und Geschrei und Schmerz muss dann vergehn,
wenn wir von Angesicht dich werden sehn.
Halleluja, Halleluja!

Mit allen Heilgen beten wir dich an.
Sie gingen auf dem Glaubensweg voran
und ruhn in dir, der unsern Sieg gewann!
Halleluja, Halleluja!

Evangelisches Gesangbuch Nr. 154

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