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Notfallseelsorger

Zuhören, trösten, stärken: Pfarrer Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche in Rheinland, der bei uns in Rodenbach Vikar war, berichtet von seinen Besuchen bei Betroffenen und Helfern/-innen in den überschwemmten Gemeinden.

Viele Orten, die von der Überschwemmung zerstört worden sind, habe ich bei der Sommertour der Hoffnung besucht. Jetzt fahren wir zu den Menschen, um zuzuhören, zu trösten, zu stärken. Gemeinsam mit den Notfallseelsorgern/-innen und den Pfarrern/-innen haben wir in Euskirchen Dom Esch Einsatzkräfte besucht, in Schweinheim Menschen begleitet, die in ihre Häuser zurückkehren, in Meinerzheim/Swisttal eine Andacht mit der Ortspfarrerin für Helfer/-innen gehalten und mit Menschen vor Ort gesprochen.

Die Verwüstungen sind einfach schrecklich. Menschen sind umgekommen, verletzt worden, haben zum Teil alles verloren. Leben, das von jetzt auf gleich zerstört wurde. Ein Mann erzählte mir, dass sein über siebzig Jahre alter Vater sich auf einen Baum retten konnte und über 12 Stunden dort warten musste, während er unten mit ansehen musste, wie eine junge Frau in den Schlammmassen einfach weggespült wurde und darin umkam. Wir haben Menschen gesehen, die nach Tagen erstmals zurück in ihre Häuser konnten. Zu Fuß, voller Ungewissheit, was sie erwartet. Sie konnten oft nur schauen, die verderblichen Lebensmittel wegwerfen und mussten danach den Ort wieder verlassen. Manche Häuser war komplett unzugänglich und vom Einsturz bedroht.

Die Einsatzkräfte haben oft bis zum Umfallen gearbeitet. Schwierig wird es, wenn sie aufhören zu „funktionieren“ und in den Pausen auf einmal die Gefühle wach werden und das, was sie gesehen haben, in ihnen hochkommt. Tief beeindruckt haben mich junge Menschen, die in Euskirchen Dom Esch ein eigenes Notfall-Lager aufgebaut und seit Tagen betrieben haben – für mehrere hundert Menschen. Wobei man nicht so genau sagen kann, wie viele es waren, weil viele auch in ihren Autos geschlafen haben.

Mir ist es wichtig, dass wir als Kirche jetzt bei den Betroffenen sind. Und bei denen, die ihnen helfen: in den Ortsgemeinden, mit der Notfall-Seelsorge, mit Diakonie, mit vielen Freiwilligen, die einfach mit anpacken. Manchmal lese ich jetzt im Netz irgendwelche geschichtstheologischen Spekulationen über das Gericht Gottes im Allgemeinen und biblische Unheilspropheten im Besonderen. Für mich ist das anämische Schreibtisch-Theologie, die mit dem, was die Menschen dort aktuell erleben, herzlich wenig zu tun hat. Hier geht es um tiefes, unmittelbares Leiden. Um existentielle Not.

Für mich ist Christus tief im Schlamm bei den Bedrängten – als mitleidender Gott, als jemand der kosmischen Unheilsmächten wehrt, der Menschen in der Hilfe ihrer oft fremden Mitmenschen begegnet.  Mit einem harmlosen, nur lieben Gott hat das überhaupt nichts zu tun. Aber mit der tiefen Überzeugung, dass dies nicht die Stunde wohlfeiler Abstraktionen, sondern existentieller Anteilnahme ist.

Mittagsgebet

Gebet für die von den Fluten getroffenen Menschen

Wasser ist Leben.
Aber Wasser kann auch Leben zerstören.
Bedrückende Bilder legen derzeit Zeugnis davon ab.
Menschen verlieren ihre Häuser.
Menschen verlieren den Boden unter den Füßen.
Menschen verlieren ihr Leben.
Wir fühlen mit den Menschen in den Hochwassergebieten.
Wir beten für alle, die Angst haben
und nicht wissen, wie es weitergeht.

Wir trauern mit allen, die jemanden verloren haben, den sie lieben.
Gott stehe denen bei, denen das Wasser gerade bis zum Hals steht.
Seine Kraft sei mit denen, die retten und helfen und begleiten.
Sein Geist stifte Gemeinschaft, die trägt und hält, wo alles zusammenbricht.
Die Not ist groß.
Lasst uns zusammenstehen
und füreinander da sein.
So gut wir das vermögen.
Amen.

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