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Hochmut kommt vor dem Fall

Vermutlich kennen Sie dieses Sprichwort. Es ist ja nicht neu, weil es einer uralten menschlichen Erfahrung entstammt. Das hat auch Jesus schon so gesehen und seinen Jüngerinnen und Jüngern eine Geschichte erzählt, in der ein angesehener Amtsträger sich dafür rühmt, dass er penibel alle religiösen Vorschriften hält und froh darüber ist, nicht so zu sein wie die Menschen, die er verachtet. Genau solch ein verachteter Mensch aber nimmt sich zurück und betet im Verborgenen: „Gott, sei mir Sünder gnädig!“

In dieser Geschichte aus dem Lukasevangelium (Kapitel 18,9-14) sind die beiden ein Pharisäer und ein Zöllner, also ein Vertreter der religiösen Führung und ein verachteter Kollaborateur mit der römischen Besatzungsmacht. Die Bewertung, die Jesus ihrem Verhalten gibt, fällt eindeutig zugunsten des Zöllners aus. Er wird als demütiges Vorbild präsentiert, dem es nachzueifern gilt. Und diese Einschätzung haben wir in unser heutiges Verständnis übernommen: Mit Pharisäer meinen wir einen falschen, verschlagenen Menschen, und Zöllner erscheint fast immer und gleichbedeutend mit Sünder.

Damals war das eine unerhörte Kehrtwendung der bisherigen Werte, wenn gerade der verachtete Zöllner mit seiner demütigen Geste als Vorbild erscheint. Aber er ist sich dessen bewusst, dass er womöglich Menschen über den Tisch gezogen und ihrer Einkünfte geraubt hat, und zeigt deshalb Reue und Demut. Doch genau das wird von Gott anerkannt, sagt Jesus, und genau deshalb achtet er ihn. Der Pharisäer, der mit seinen Vorzügen prahlt, kommt schlecht weg.

Das heißt nicht, dass man sich immer klein machen soll. Man kann durchaus zu dem, was man gemacht hat, was einem gelungen ist und was man gut kann, stehen. Nur darf das nicht ganz oben rangieren und vor allem nicht dazu führen, sich über andere zu erheben. Denn bei Gott geht es nicht darum, was man alles geleistet hat, sondern darum, wie man mit sich, mit seinen Fehlern und mit seinen Mitmenschen umgeht. Und diese – göttlichen – Maßstäbe führen immer wieder einmal zur Kritik an den bestehenden Sichtweisen und Gepflogenheiten. Auch heute noch!

Bleiben Sie behütet!
Ihr Pfarrer Michael Ebersohn

Mittagsgebet

Gott, wir hoffen, dass du uns in Gnade ansiehst, uns verwandelst
und unsere Worte im Gebet weit machst durch deinen Geist.
Sei uns gnädig.

Wir bitten dich für alle Verblendeten, die voll Enthusiasmus in den Krieg ziehen,
weil sie an vermeintlich Höheres glauben als Menschenleben
und sich über andere erheben.

Wir bitten dich für alle, die ihren Glauben gegen andere wenden,
für alle, die blind geworden sind in Rassismus und Hass,
die nicht mehr vergeben können.

Wir bitten dich für die vielen, die nur noch an sich glauben können,
deren Lebenshorizont eng geworden ist, die verhärtet und vereinsamt sind,
die den Blick nicht heben können.

Wir bitten dich für uns selbst,
wo uns die Demut fehlt, um uns selbst zu erkennen,
wo wir schuldig werden, ohne es zu merken.

Gott, sieh uns gnädig an und führe uns auf dem Weg ins Leben!
Durch Jesus Christus, unseren Herrn.
Amen.

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