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Worte wie Steine

Liebe Leser*innen,

manchmal sind Worte wie Steine, hart, hingeworfen, schwer, unbeweglich. Verletzen, wenn sie einen treffen. Oder sie bleiben unverdaulich im Magen liegen.

Wie oft fallen solche Worte, nicht nur in den sozialen Medien, wo Beleidigungen und Hetze an der Tagesordnung sind. Auf dem Schulhof sind „schwul“ oder „du Jude“ immer noch Schimpfwörter. Und mit der beliebten Einleitung „Das wird man ja noch sagen dürfen …“ werden gerne andere Menschen und Meinungen gnadenlos niedergemacht.

Worte können steinigen, nicht nur im öffentlichen Raum, auch im Privaten. Wenn in Familien Worte wie Steine zwischen Eltern und Kindern hin und her fliegen. „Du bist ein Nichtsnutz, wenn Du nichts lernst!“ oder umgekehrt: „Ei, was wollen denn die Alten, die können mich mal.“ Oder in der Schule: Eine abfällige Bemerkung nach einer verhauenen Arbeit. „Von Dir habe ich ja auch nichts anderes erwartet!“. Zu oft sind Kinderseelen unter solchen Brocken verschüttet worden. Und so manche Freundschaft ist an einem Wort wie Stein zerbrochen.

Wenn Worte wie Steine treffen, hinterlassen sie mindestens blaue Flecken auf der Seele, oft Platzwunden, die nur heftig bluten und hässliche Narben hinterlassen, manchmal gar noch Schlimmeres anrichten.

Auch wenn sie nicht direkt treffen, kann man mit ihnen immer noch hohe Mauern bauen. Steinworte von Menschen sind oft wie Grenzmauern, bestenfalls wie Grenzsteine. Eine Grenze, die trennt und nicht verbindet. Keiner wagt sich mehr dran.

„Wenn mir mein Mann so was sagt, dann ist es aus!“ Nicht nur in Partnerschaften liegen solche Grenzsteine herum, verborgen, vergraben. Worte, die einer mal gesprochen hat und die liegengeblieben sind. Wie von einem magischen Zirkel umgeben. Sie scheinen unberührbar zu sein.

Schlechte Erfahrungen werden zu Felsen, die uns niederdrücken, wenn wir sie resigniert liegenlassen. Worte des Ehepartners werden zu Stein, wenn wir sie nicht aufnehmen, sie nur abprallen lassen, nichts erwidern, nicht widersprechen oder sie – ohne zu werfen – aufheben und wieder zurückgeben.

Wie nötig haben wir dann Worte, die heilen, die trösten und versöhnen. Aber sie auszusprechen fällt schwer. Dabei wäre es so einfach. „Entschuldige bitte. Es tut mir leid“ – das sind Worte, die Türen öffnen können, zumindest einen Spalt weit. Ein Anfang ist gemacht. Oder ein „Ich liebe dich“ in einer langen, scheinbar festgefahrenen Beziehung, weckt Erinnerungen und gibt Mut, wieder miteinander Neues zu entdecken.

In der Trauer bringt ein „Herzliches Beileid“, mit einer Umarmung von Herzen manchmal wenigstens für den Moment die Last des Abschieds ins Rutschen, wenn dann Tränen fließen und ich von meinem Schmerz erzählen kann. Da kommen Brocken ins Rutschen, die unbeweglich herumlagen und mit ihrem Gewicht in die Tiefe zogen. Brocken, die das Leben plattmachen, durch die kein Grashalm der Hoffnung sich hindurcharbeiten konnte. Das weiche Wasser der Tränen aber bricht den Stein.

Immer wieder erlebe ich, wie viele Trümmersteine aus der Kindheit bei einem schon lange erwachsenen Menschen auf dem Grund der Seele liegen können. Viel Arbeit ist nötig, viel Schweiß und Tränen, damit aus einem Geröllfeld ein Acker werden kann, auf dem wieder Leben blüht. Was hilft, ist das offen auszusprechen, was all die Jahre so bitter und tief verschlossen war. Und es braucht einen, der zuhört und versteht, der nicht gleich kluge Ratschläge parat hat oder gar verurteilt. Zu den Wörtern, die helfen und heilen gehört auch ein offenes Ohr zum Zuhören.

Worte, die mich vorher wie ein mächtiger Fels erdrückt haben, werden so lebendig. Das gelingt, wenn ich bereit bin, sie aufzuheben, nicht um sie zurückzuwerfen. Vielmehr will ich sie drehen und wenden, bearbeiten und teilen, bis ich mit ihnen etwas Neues bauen kann. Vielleicht wird eine Brücke daraus, die uns verbindet, oder eine Hütte, in der wir uns treffen und feiern. Vielleicht werden es einfach Trittsteine auf schlammigen Wegen. Das ist die andere Möglichkeit, mit den Worten umzugehen, sie zu nutzen, um einander zu begegnen und zu verstehen. Das gelingt, wenn wir achthaben auf die Worte. Es ist nicht einerlei, wie wir etwas sagen.

Zum Schluss: Gerne wird heute gegen die „Gender*Sternchen“ gewettert, weil sie doch die Sprache verhunzen würden und sowieso die andere Hälfte der Menschheit immer mitgemeint sei. Doch was wir nicht benennen, vergessen wir gerne. Das Leben ist divers, bunt und vielfältig. Und wenn ein Mensch, der eben nicht in das klassische Schema von männlich und weiblich passt, sich durch eine Pause beim Sprechen oder ein Sternchen ein wenig mehr angenommen weiß, dann helfen Worte zum Leben.

Foto: Michael Schwarzenberger – Pixabay

Bleiben Sie behütet!
Ihr Pfarrer Heinrich Schwarz

Mittagsgebet

Du – Gott, Quelle des Friedens und der Liebe, nimm uns hinein in den Strom des Lebens und der Güte, damit von uns Frieden statt Streit, Liebe statt Hass, Anteilnahme statt Gleichgültigkeit ausgeht.
Wir bitten dich um Jesu willen, der uns den Himmel geöffnet und der zerstrittenen Menschheit deine Liebe gebracht hat.
Amen.

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