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Gedanken zum Sonntag

Am Karfreitag waren mit Jesus all ihre Hoffnungen ans Kreuz genagelt worden. In der tiefsten Krise ihres Lebens kehren die Jünger Jesu zurück an den See Genezareth. Sie tun das, was Menschen oft Halt in schlimmen Zeiten gibt: Sie arbeiten. Sie tun, was sie gelernt haben, sie werfen die Netze aus und wollen fischen. Aber vergebens, die Netze bleiben leer. Wieder erleben sie das Scheitern.

Plötzlich steht da ein Fremder am Ufer. „Werft eure Netze noch einmal aus; und zwar auf der rechten Seite!“, ruft er ihnen zu. Wie verrückt ist das denn? Jedes Kind weiß doch, dass man am Tag keine Fische fängt. Doch in der tiefsten Not klammert man sich an jeden Strohhalm. Noch fahren sie hinaus auf den See. Und sie haben Erfolg, die Netze sind voll. 153 Fische zählt der Evangelist. (Johannes 21,1-14).

Genau diesen Moment hat Hilde Ferber in ihrem letzten Bild des Osterzyklus in den Glasfenstern unserer Kirche festgehalten. Das Boot legt ans Ufer an. Während zwei der Fischer den Fang sichern, steht der rechte einfach nur da. Er scheint die Hände gefaltet zu haben. Betet er, oder ist er einfach nur starr vor Schreck? Der linke der Vier, es ist Petrus, springt aus dem Boot, auf den Fremden zu. Er ist der einzige, bei dem ich Gefühle spüren kann. Typisch für Hilde Ferber, die Personen auf ihren Bildern wirken oft ernst, die Mundwinkel nach unten, in sich verschlossen – wie hier, den Blick oft nach unten oder die Augen verschlossen.

Drei verschiedene Reaktionen auf diese Begegnung, die noch einmal, schon wieder, ihr Leben verändert. Der eine steht wie angewurzelt da, weiß nicht, wie es vor und zurück geht. Bloß nicht bewegen, weil die Angst da ist, ins Bodenlose zu fallen, zu ertrinken im Meer der Angst. Die beiden anderen konzentrieren sich auf das, was den Alltag ausmacht. Aus Angst zu kentern, halten sie geschäftig an dem fest, was sie gelernt haben. Gut, dass es etwas zu tun gibt, womit sie ihr Lebensboot in der Balance halten können.

Doch einer springt auf, als er das Neue erkennt. Petrus blickt nach oben, mit weit offenen Augen. Staunend? Flehend? Die Hände sind schon offen, wollen begreifen, was er sieht. Doch er wagt es nicht, den Fremden zu berühren. Trotz der offenen Hände bleiben die Arme angewinkelt, an den Körper gepresst. Der Schritt heraus aus der relativen Sicherheit eines schwankenden Lebensboots geschieht nicht mit ausgelassener Begeisterung, nicht mit fröhlicher Zuversicht, sondern immer noch mit Unsicherheit und Angst.

Trotzdem ist es genau diese Erfahrung, die der Glaube immer neu machen kann: Am Ufer meines Sees, am Ufer meiner tiefen Enttäuschung, Verletzung und Trauer, trifft mich ein Fremder. In größter Seelennot begegnet mir ein Mensch und reißt mich heraus. Ich wage etwas völlig verrücktes und spüre eine neue Lebensenergie in mir. Mir gelingt ein „schöpferischer Sprung“, wie es die Schweizer Psychologin Verena Kast es einmal genannt hat, ein Vorschein von Auferstehung.

Ja, der Auferstandene begegnet den Jüngern am See Tiberias. Den vier Jüngern gegenüber steht Jesus, zu seinen Füßen Brot und Fische. Jesus sorgt für ein volles Netz, aber er ist nicht auf ihren Fang angewiesen. Das Frühstück nach durchwachter Nacht ist schon vorbereitet. Jesus braucht unsere Erfolge nicht, um uns zu sättigen. Er lädt die Jünger ein zu Fisch und Brot: „Kommt her und esst!“. Wir können seinen Weg mitgehen. Er gibt uns Würde dabei zu sein, in seinen Auftrag hineinzuwachsen.

Am Ende sind es vielleicht gerade diese Begegnungen, die uns Kraft und Hoffnung geben: Keine Ahnung, wer vor uns steht, aber wir spüren, dass Gott nah ist. Die wesentlichen Augenblicke unseres Lebens sind oft ein Geschenk, ein Geschenk vom Himmel her, weil es Augenblicke sind, die in uns etwas aufbrechen. Wir dürfen etwas von dem spüren, was Himmel und Erde verbindet.

Am Ende sind die Jünger mit ihrem Leben versöhnt. Ja, das Leben geht weiter. „Es muss gearbeitet und gegessen werden. Enttäuschungen, Zweifel und auch Verzweiflung werden nicht aufhören, aber durch die Auferstehung werden sie überwunden und in das Licht der Liebe Gottes gerückt.“ (Christoph C. Noack).

153 Fische zählen die Jünger bei ihrem Fang. Eine merkwürdige Zahl. Vielleicht ein Hinweis auf die damals bekannte Zahl von Fischarten. Ein Zeichen dafür, dass die ganze Schöpfung umfasst ist. Niemand kann aus ihr herausfallen. Damit bekommt auch das Tun der beiden Jünger in der Mitte noch einmal eine neue Perspektive. Das himmlische Blau ihrer Gewänder bekommt einen neuen Sinn: Sie stehen dafür, dass niemand aus Gottes Hand fallen kann. Arbeiten und Beten, beides ist nicht vergeblich.

Gut, wenn wir uns immer wieder bewusst machen, wie wendungsreich und zwiespältig dieser Weg verlaufen kann. Glaube ist keine Wundermedizin, die uns unverwundbar macht. Glaube ist das immer neue Ringen um Orientierung und Vertrauen in das Leben. Selbst wenn mein Lebensboot zu kentern droht, ist einer da, der trotzdem Halt gibt.

Bleiben Sie behütet!
Ihr Pfarrer Heinrich Schwarz

Mittagsgebet

Frei von Angst und Zweifel
möchten wir glauben und leben können.
Doch stoßen wir schnell an die Grenzen unseres Vertrauens.
Manchmal bleiben uns nur unsere Tränen.
Doch auch die können wir zu dir bringen, Gott.
Und mitten in dem Leid geschieht das Unmögliche.
Gott, du gibst uns neue Hoffnung, wo wir Trauer tragen,
unverhofftes Vertrauen, wo wir noch ängstlich sind.
Mit Jesus lässt du uns auferstehen.
Wir danken dir durch ihn, der unser Leben ist.
Amen.

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