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Liebe Leserinnen und Leser,

Joghurt ohne Ende: Fettarm oder mit Sahne, pur oder in den abgefahrensten Geschmacksrichtungen, laktosefrei oder proteinreich. Groß, bunt und vielfältig ist das Angebot in den Supermarktregalen. Ebenso groß, bunt und vielfältig sind Angebote an Lebenssinn. Da geht es nicht nur um evangelisch oder katholisch, christlich oder muslimisch.

Der Markt der religiösen Möglichkeiten bietet alles, was das Herz begehrt: Von indischen Gurus über buddhistische Meditation bis hin zu militantem Atheismus ist alles dabei. Bachblüten-Therapie, Tai-Chi und Feng-Shui stehen auf dem Programm jeder besseren Volkshochschule. Gerne melden wir uns mal bei einem Yoga-Kurs an, lesen etwas vom Dalai Lama oder stellen uns einen Schutzengel ins Wohnzimmer. Das passt schon alles – irgendwie.

Einige genießen die Freiheit, auch religiös nach Belieben shoppen zu können. Andere finden sich nicht mehr zurecht und klagen über eine religiöse Beliebigkeit. Manchen ist das schlicht egal. Sie haben ihren Gott gefunden: Im runden Ball, auf vier Rädern, mit dem Blick nach Mekka oder am Kreuz. Schwierig wird’s, wenn nur einer rechthaben darf.

Wer meint, das sei ein Phänomen der modernen Welt, liegt falsch. Auch die ersten christlichen Gemeinden waren nur ein kleiner, bunter Haufen in dem großen religiösen Mix der Antike. Der EINE Gott war einer unter vielen. Wer da auffallen wollte, musste sich schon was Besonderes einfallen lassen. In seiner Apostelgeschichte erzählt der Evangelist Lukas, wie der Apostel Paulus dies auf dem Marktplatz von Athen versucht – mitten im Zentrum, der Fußgängerzone sozusagen.

Athen war damals die kulturelle Hauptstadt Europas, Schmelztiegel der Ideen. Namen wie Sokrates, Plato, Aristoteles, Homer sind mit dieser Stadt verbunden. Hier drängten sich die Menschen, hier war etwas los – auch geistig, kulturell und religiös. Alles was der Zeitgeist hergab, war hier vertreten. Und damit auch ja niemand vergessen wird, gab‘s sogar Altäre für die „unbekannten Götter“. Das ist für Paulus der Anknüpfungspunkt, vom Evangelium von Jesus und von der Auferstehung zu reden.

Seht, Gott ist schon hier, sagt Paulus. „In ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts.“ Seine gute Nachricht: Keinem von uns ist dieser unbekannte Gott fern.

Damals die gleichen Reaktionen wie heute: Einige sind begeistert, manche spotten, andere gehen achtlos vorüber. Was ich von Paulus lerne: Ausschau zu halten, nach dem „Altar für den unbekannten Gott“. Anknüpfungspunkte zu suchen im Leben der Menschen um mich herum.

Wie ist Kirche hautnah bei den Menschen, Jesus auf der Straße, in den Büros, Fabriken und Einkaufszentren, Krankenhäusern und Kindergärten? Offen, freundlich, einladend? Was wir dabei anzubieten haben, ist keine Wohlfühl-Religion, bei der nur Jugend, Schönheit, Macht und Geld zählen. Das Evangelium von Jesus ist keine Anleitung zur Selbstoptimierung.

„In Gott leben und weben und sind wir“, sagt Paulus. Gott umgreift uns ganz, mit Leib und Seele, Gefühl und Verstand. „Ganzheitlich“ nennen wir das heute. Das Evangelium von Jesus und seiner Auferstehung blendet auch Scheitern, Schwäche, Krankheit, selbst den Tod nicht aus. Gott ist auch nah, wenn es in mir dunkel wird. Selbst der Tod hat seine letzte Macht verloren. Niemand kann tiefer fallen als in Gottes Hand.

Diese Erfahrung des Glaubens will ich anbieten auf dem Markt der religiösen Möglichkeiten. Ich brauche mich dabei nicht zu verstecken. „Keinem von uns ist Gott fern“, diese Erfahrung will nicht nur sonntags gepredigt, sondern mitten im Alltag gelebt werden. Gott passiert, wenn ich mich öffne, auf andere zugehe, wir miteinander Glück teilen und Kummer gemeinsam tragen.

Dabei kann auch mal Yoga helfen, oder schlicht mal die kranke Nachbarin fragen, ob ich ihr was aus dem Supermarkt mitbringen kann – das was sie zum Leben braucht und ein Joghurt vielleicht.

Bild: Veit Kern, pixelio.de

Und bleiben Sie behütet!
Ihr Pfarrer Heinrich Schwarz

Mittagsgebet

Frei und unabhängig möchten wir sein.
frei von Ängsten und Zwängen,
von allem, was uns zu Boden drückt,
was unsere Freude lähmt,
und die guten Einfälle unserer Liebe erstickt.

Von Jesus geht eine befreiende Kraft aus.
Wir suchen sie für uns selbst
und im Zusammenleben mit anderen
und freuen uns, wenn wir sie finden.
Dann begreifen wir: Keinem von uns ist Gott fern.

Amen.

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