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Der Versuchung widerstehen

Stellen Sie sich das einmal vor: Jesus von Nazareth, aus einer orientalischen Kleinstadt, gerade getauft vom Bußprediger Johannes, der dann vierzig Tage in der Wüste fastet und danach als Wanderprediger auf der Straße von Ort zu Ort zieht – und nun, Hand aufs Herz: „Würden Sie diesem Mann einen Bankkredit einräumen?“

Das ist ja wohl die entscheidende Frage heutzutage. Was zählt, ist, dass du etwas aus dir machst. Möglichst schon in jungen Jahren. Du kannst sogar verrückt sein, völlig abgedrehte Sachen machen, aber es muss gut sein, dann machst du Karriere damit. Cool musst du sein, mit einem Schuss Killerinstinkt. Und es spielt kaum eine Rolle, womit du deine Ziele erreichst und ob du dabei noch du selbst bleibst. Allein der Erfolg zählt.

Genau daran aber hapert es Jesus. Nicht, dass er sich eine Zeitlang aus der Welt zurückzieht, ist das Problem. Wüste ist geradezu „in“. Viele Manager gehen ins Kloster, viele stehen auf Diät und Fastenkuren, manche tun etwas für den Geist, einige nehmen sogar Abschied vom gewohnten Lebensstil. Aber in allen diesen Fällen geht es nicht darum, sein Leben vollkommen zu ändern, sondern um aufzutanken und neue Kraft zu schöpfen – damit man nachher mit neuen Kräften das tun kann, was man auch vorher getan hat.

Bei Jesus aber geht es um etwas Tieferes, Größeres. Es geht um viel mehr. Es geht um seine Vollmacht, um seinen Auftrag. Es geht um nichts weniger als um die Grundvoraussetzungen für Gottes Wirken auf unserer Erde. Wenn er in seinem Sohn Jesus Christus zu uns gekommen ist, um uns seine Liebe zu bringen, dann muss dafür der Boden bereitet sein. Und dann haben die Mächte, die dieser Liebe entgegenstehen, keinen Platz. Für sie steht der Teufel, und der muss in Zaum gehalten werden. Davon erzählt die Geschichte von der Versuchung Jesu (Matthäus 4,1-11).

Dabei ist die Szene ganz plastisch geschildert: Jesus und der Versucher, der Teufel, sind im Streitgespräch. Es muss zum Verzweifeln sein, und zwar für den Teufel. Normalerweise ist er gut im Streiten. Aber hier zeigt sich Jesus als in allen Belangen überlegen. Er ist brillanter Kenner der Schrift, fest im jüdischen Glauben verwurzelt und keinem anderen bereit zu dienen als dem einen Gott Israels. Und Jesus zeigt außerdem, dass der Glaube nicht nur Gefühlssache und Herzensangelegenheit ist, sondern in hohem Maß auch geistige Auseinandersetzung. Denn nur allein vom bloßen Zitieren der Worte kann man nicht leben. Sie müssen Fleisch bekommen, Leben, und das geht nur, wenn ich mir den Geist der Worte aneigne und sie nicht einfach nachplappere. Aber dann erhalten sie Tiefgang.

Der Versucher, der Teufel, jedoch setzt auf die Buchstaben, und versucht, Jesus mit spitzfindigen Argumenten hinters Licht zu führen. Drei Versuche startet er, aber Jesus entlarvt sie alle als teuflische Versuchungen. Wäre er auf sie eingegangen, hätten sie ihm womöglich Misserfolg, Leid und Tod erspart. Aber sie hätten aus ihm einen Scharlatan gemacht, nicht besser als die vielen anderen, die zu allen Zeiten den Leuten Honig um den Bart schmieren. Jesus ist den Weg gegangen, der auf den ersten Blick schwieriger und steiniger ist, der am Ende aber viel weiter bringt, weil es der Weg Gottes ist.

Und das Beste daran ist: Es gehören weder geheimnisvolle Rituale noch geheime Offenbarungen dazu, diesen Weg zu gehen und dem Bösen zu widerstehen. Jesus besiegt den Teufel mit Mitteln, die uns allen zur Verfügung stehen. „Es steht geschrieben“, beginnt er jede Antwort. Mehr hat er nicht, mehr haben auch wir nicht. Mehr braucht es aber auch gar nicht. Gottes Gebote sind für ihn wie für uns Evangelium. „Du sollst Gott allein dienen“, das ist die gute Nachricht, dass wir uns von nichts und niemandem auf dieser Welt abhängig machen müssen. Und dann können wir uns wappnen gegen das Teuflische, das uns in unserer Welt begegnet – überall da, wo Menschen sich aufschwingen und gegen Gottes Wort Front machen. Sich wappnen gegen alles Teuflische, dazu gebe uns Gott seine Kraft.

Bleiben Sie behütet und gesund
Ihr Pfarrer Michael Ebersohn

Mittagsgebet

Herr Gott, himmlischer Vater,
du hast deinen Sohn in die Welt gesandt,
dass er die Macht des Bösen besiege
und uns den Weg zeige,
selbstbewusste und freie Menschen zu sein.

Wir bitten dich:
Stärke uns in aller Anfechtung,
dass wir in seiner Kraft den Anfechtungen widerstehen,
denen wir begegnen und die uns Angst machen.
Lass uns in seinen Worten und Taten deinen Willen erkennen
und die tiefe Liebe, die du zu uns hast.

Das bitten wir dich durch ihn, unseren Herrn Jesus Christus,
der mit dir und dem Heiligen Geist
lebt und Leben schenkt in alle Ewigkeit.

Amen.

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