„Da sie den Stern sahen …“
„Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut.“ heißt es bei Matthäus im 2. Kapitel. Die Weisen aus dem Morgenland sind einem Stern gefolgt. Für Matthäus sind sie Vertreter der geistigen Elite der heidnischen Welt. Bald schon im Laufe der Überlieferung werden sie zu Königen, Vertreter der Machtelite also. Verständlich, denn mit Gold, Weihrauch, Myrrhe haben sie königliche Geschenke im Gepäck. Und sie treffen auf die politische und religiöse Aristokratie Israels. Da begegnet man sich am Besten auf Augenhöhe.
Aber bei Matthäus lesen wir im griechischen Original von Magiern und können das zurecht mit Weisen oder Sterndeutern übersetzen. Wieviel, wird nicht gesagt. Im Volksglauben stand noch lange nicht fest, wie viele sie eigentlich sind. In Syrien erzählte man, es seien 12 gewesen. In Europa werden es im Mittelalter drei – schließlich eben die „Heiligen Drei Könige“.
Die Zahl 3 verweist auf die Vollkommenheit und die Menschheit als Ganze. So werden die drei Könige als Jüngling, als Mann in den besten Jahren und als Greis dargestellt; oder sie sind weiß, braun und schwarz und vertreten so die drei Erdteile der alten Welt – Europa, Asien und Afrika. Ich bin gespannt, ob die symbolische Ausgestaltung der Geschichte noch weitergeht. Vor allem wäre es Zeit für Königinnen.
Sie brechen auf, ziehen los und legen einen weiten Weg zurück. Aber als sie meinen, sie seien am Ziel, geht die Suche von Neuem los. Sie fragen und hören und lassen sich nicht beirren, schlagen eine neue Richtung ein und ziehen wieder los, bis sie an völlig unerwarteter Stelle am Ziel sind. Es ist eine Lebensreise, die sich in dieser Geschichte widerspiegelt.
Das macht diese Weisen gerade so anziehen für uns. In den Weisen spiegeln wir uns selbst mit unserer Suche und unserem Sehnen. Wir suchen Glück und Anerkennung, wir sehnen uns nach Geborgenheit und Liebe. Oder in den Worten der Bibel: Wir suchen unser Heil – das, was uns heilt. Wir merken aber auch, wie schwer das ist. Dazu müssen wir uns auf den Weg machen, das Vertraute hinter uns lassen und etwas Neues wagen. Das erfordert Mut.
Die Suche ist nicht ziellos. Dafür steht der Stern. Ob dabei ein tatsächliches Phänomen am Sternenhimmel um die Zeitenwende zugrunde lag, ist unter Astronomen umstritten. Im Grunde ist es unwichtig. Entscheidend ist die symbolische Bedeutung des Sterns.
Er macht deutlich, dass hinter der langen Suche die Führung Gottes steht, der dafür sorgt, dass die Suchen nicht umsonst bleibt. Allerdings endet sie an einer Stelle, an der die Leute aus dem Osten es zuletzt vermutet hätten.
Sie meinten am Ziel zu sein, als sie in Jerusalem waren. Ganz selbstverständlich erwarteten sie einen machtvollen König, so wie wir uns heute ganz natürlich eine starke Führungspersönlichkeit wünschen, die mit Macht eingreift und für Gerechtigkeit sorgt, die Verhältnisse der Erde verändert und die Menschen innerlich umdreht, auch wenn sie nicht wollen. Doch das ist eine Sackgasse.
Wir finden das Ziel nur, wenn wir – mit den Worten des Theologen Klaus Wolff – »wie die Weisen den König suchen und das Kind finden, den Herrn suchen und den Knecht finden, nach den Sternen greifen und den Menschen finden«.
Das aber erfordert Mut: Mut, den gewohnten Weg zu verlassen – Mut, Neuland zu betreten. Die Weisen aus dem Morgenland hatten diesen Mut. Diese Menschen aus einem fernen Land, die Gott gar nicht kannten – Heiden hat man damals gesagt – diese Fremden haben im Kind in der Krippe den Ausgangspunkt für ein neues Leben gefunden.
Diesen Mut wünsche ich uns. Der Weg zu einem gelungenen, einem heilen Leben führt uns dabei durch Hell und Dunkel, über Höhen und Tiefen. Es ist eine Reise, die auch Zweifel und Enttäuschungen mit sich bringen kann. Dennoch ist es eine Reise unter einem guten Stern, dem Stern Gottes. Denn es ist die Lebensreise von uns Menschen zu Gott.
Ich wünsche uns allen, dass wir nicht stecken bleiben, uns nicht festfahren in den Sackgassen des Lebens, sondern dass wir uns immer wieder auf den Weg machen zu einem neuen Leben. Denn das Kind in der Krippe will sich von uns finden lassen und der Stern Gottes wird uns dabei leuchten.
Ihr Pfarrer Heinrich Schwarz